geändert am 19.04.2006 - Version Nr.: 1. 40

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Wissenschaft

Mit Hilfe internationaler Kooperation könnte gezeigt werden, dass die Ausprägungen von turbulenten Strömungen vom früheren Systemzustand abhängen. Da jedes Leben, das Wetter und auch jede Reaktion durch Strömungen bestimmt wird, könnte das Ergebnis tiefgreifend wirken..

Bereich: Forschung

Dr. Dieter Porth - Göttingen/WeltDie Forscher um Professor Bodenschaft konnten bestätigen, dass die Bildung von Wirbeln vom Zustand des Systems abhängt. Die Folgerungen sind sicher für weite Bereiche der Forschung und für das Verständnis von Vorgängen wichtig.
Beispielsweise erklärt die Untersuchung auf einfache Weise, warum die Ergebnisse der irreversiblen Thermodynamik in den 70 Jahren des letzten Jahrhunderts keine Ergebnisse brachten. Die Maximierung der Entropieproduktion bzw. besser des Energietransports entlang eines Energiegradienten ist nicht gedächtnislos, sondern hängt von den bisherigen Mechanismus des Energietransports ab. Bei einer Theorie zur irreversiblen Thermodynamik müsste man also neben Entropie, Enthalpie, chemischen Potentialen auch ein system- und zeitabhängigen Potentials für den Transportprozess definieren.

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Pressemitteilung Chemie.de [ Homepage ]

[Göttingen/Welt - 13.02.06] [Quelle: Website]

Wirbel vor der Hochgeschwindigkeitskamera - Göttinger Max-Planck-Forscher weisen nach, wie kleinste Teilchen in Turbulenzen auseinander fliegen
13.02.2006 - Turbulenzen treten überall auf: In der Sonne ebenso wie im Milchkaffee, im Verbrennungsmotor wie in der Biologie. Für Naturwissenschaftler und Ingenieure zählen sie zu den seit langem nicht verstandenen Problemen. Nun ist es Forschern des Max-Planck-Instituts für Dynamik und Selbstorganisation in Göttingen und der Cornell University, USA, gemeinsam mit Kollegen des Laboratoire des Écoulements Géophysiques et Industriels des CNRS (UMR) in Grenoble, Frankreich, sowie vom Risø National Laboratory in Roskilde, Dänemark, erstmals gelungen, Jahrzehnte alte theoretische Vorhersagen über die Ausbreitung von Teilchen in starken Turbulenzen einem experimentellen Test zu unterziehen. Mit einem eigens entwickelten System von Hochgeschwindigkeitskameras wiesen sie nach, dass sich die Teilchen anders und langsamer auseinander bewegen als bislang angenommen. Ihre Ergebnisse können dazu dienen, bessere Modelle zum Transport und zur Ausbreitung von Chemikalien oder biologischen Substanzen zu entwickeln.
Turbulenzen entscheiden darüber, wie wahrscheinlich sich chemische Reaktionspartner treffen und miteinander reagieren: So bestimmen sie, wie sich Verschmutzungen oder Gifte in der Atmosphäre oder den Ozeanen ausbreiten und welche Schwankungen sich damit verbinden. Turbulenz entsteht, wenn Flüssigkeiten oder Gase schnell bewegt und über größere Strecken getrieben werden. Man erkennt sie erst richtig, wenn "Teilchen" in einer Strömung verwirbelt werden - zum Beispiel, wenn Blätter im Herbstwind tanzen oder wenn Autos auf der nassen Autobahn Nebelfetzen hinter sich lassen. Was dabei genau passiert, wird seit Jahrzehnten erforscht. Eine der ältesten Fragen ist: Wie schnell werden anfänglich nahe beieinander liegende Teilchen von der Turbulenz auseinander getrieben? Der Brite Lewis Fry Richardson sagte in den 1920er-Jahren voraus, dass der mittlere quadratische Abstand zweier Flüssigkeitsteilchen mit der dritten Potenz der Zeit anwachse. Dieses "Richardson-Obukhov-Gesetz" wird vielfach angewandt, um das Mischen der Turbulenz zu beschreiben. Es setzt allerdings voraus, dass die Ausbreitung der Strömung - aufgrund der hohen Komplexität der Turbulenzen - nicht vom Anfangsabstand der Teilchen abhängt.
In der 1950er-Jahren postulierte der Australier George Batchelor in Cambridge daher eine andere Ausbreitungsformel, die im Gegensatz zum Richardson-Obukhov-Gesetz durchaus vom anfänglichen Abstand der Teilchen abhängt. Batchelor behauptete, die Ausbreitung der Strömung wachse quadratisch mit der Zeit an und das Richardson-Obukhov-Gesetz werde erst nach einer von ihm berechneten Zeit wirksam.
Nun ist es einem amerikanisch-deutschen -französischen Forscherteam um Prof. Eberhard Bodenschatz erstmals gelungen, beide Theorien experimentell zu testen. Dazu gaben sie kleinste Teilchen in eine turbulente Wasserströmung. Dann maßen sie die Bewegungen der Teilchen mit Hilfe eines Teilchenverfolgungssystems, das aus drei Hochgeschwindigkeitskameras und einem sehr hellen Laser besteht. Die Kameras registrierten 25.000 Mal pro Sekunde den Abstand von Teilchen in Abhängigkeit ihres anfänglichen Abstandes. Die Messung entspricht damit in etwa der millionenfachen Messung der Bewegung zweier Schneeflocken in einem Schneesturm, und zwar bei Millisekunden-Auflösung über Minuten hinweg.
Die Forscher fanden beste Übereinstimmung mit der Vorhersage von Batchelor, jedoch keine Übereinstimmung mit dem Richardson-Obukhov-Gesetz. Entgegen der allgemeinen Erwartung scheint das von Batchelor postulierte Gesetz der Bewegung von Teilchen in fast alle turbulenten Strömungen auf Erden zu bestimmen: Der Anfangsabstand der Teilchen scheint für fast alle turbulenten Strömungen auf Erden wichtig zu sein. Die Messungen zeigten auch, dass sich die Teilchen langsamer auseinander bewegen als ursprünglich angenommen.
Die Ergebnisse könnten nun Auswirkungen auf eine Vielzahl von Forschungs- und Anwendungsfeldern haben, vom effektiven Mischen von Stoffen in der Industrie bis zur Modellierung des Inneren von Sternen.

Originalveröffentlichung: M. Bourgoin, N. T. Ouellette, H. Xu, J. Berg, E. Bodenschatz; "The Role of Pair Dispersion in Turbulent Flow"; Science 2006.
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Dies Forschungsgebiet wird in der Zukunft zu vielen Erkenntnissen führen, weil es zeigt, das physikalische Prozesse nicht gedächtnislos sind. Die Naturwissenschaft wird eine Sprache entwickeln müssen, die den Selbstbezug der Systeme besser beschreibt, denn in der Sprache verfestigt sich das Denken des Menschen und das Verständnis über die Welt..

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